35.000 Stellen sind laut österreichischem Handelsverband im Retail derzeit zu besetzen - wahrlich eine Mammutaufgabe für die gesamte Branche, obgleich unterschiedliche Positionen diversifizierte Kanäle bzw. Methoden verlangen, um die passenden Kandidaten zu finden. Immer häufiger unterstützen nicht nur im Managementbereich, sondern auch bei der Besetzung von Positionen „auf der Fläche“ Personalberater im Recruiting. Doch was können Headhunter tatsächlich zu einer erfolgreichen Besetzung vakanter Stellen beitragen?
Eine verdeckte Stellenausschreibung ist stets ein guter, erster Ansatz; der hohe Qualitätsanspruch an potentielle Kandidaten sollte sich dabei auch in der inhaltlichen Gestaltung sowie Präsentation der Ausschreibung widerspiegeln. Im darauffolgenden persönlichen Bewerbungsgespräch wird schnell ersichtlich, ob der Kandidat ein selbstbewusstes Auftreten besitzt, eloquent und empathisch ist, oder nur rudimentär das Anforderungsprofil erfüllt. Ein geplantes Gespräch gibt somit zwar einige Einblicke hinter die Fassade einer Person, ermöglicht es aber häufig nicht, den Kandidaten in seiner vollen Persönlichkeit zu erfassen, da es sich um ein vordefiniertes Setting handelt, in dem eine natürliche Präsentation oft nur schwer möglich ist.
Vor allem im Verkauf im high-end-Segment, mit dem in aller Regel ein anspruchsvolles Klientel einhergeht, stellt sich die Frage nach Möglichkeiten, die richtigen, potentiellen Kandidaten zu identifizieren und die wichtigsten Skills - hier vor allem die Beratungsqualität - valide zu evaluieren. Hier kommt eine eher unbekannte und noch recht selten angewandte Such- und Evaluierungsstrategie zum Zug, die insb. bei Zielgruppen in Frage kommt, die auch nur schwer über eine digitale Identität in den gängigen Business-Netzwerken auffindbar sind. Um einen authentischen Eindruck zu erhalten, ist eine (scheinbar zufällige) Begegnung im natürlichen Umfeld besonders essentiell und nützlich. Zusätzlich ist es so möglich, Kandidaten zu identifizieren, die einem bei klassischen Researchaktivitäten „durch die Lappen“ gehen.
Undercover-Headhunting ist die logische Antwort auf die o.g. Herausforderung und wird auch immer häufiger in der Praxis angewendet. Eine entsprechende Vorbereitung für ein „Real Life Assessment“ ist unumgänglich, soll doch der beste Kandidat gefunden und der Headhunter selbst möglichst nicht enttarnt werden. Eine plausible Story gut zu verpacken muss geübt sein - der dargestellte Kunde sollte anspruchsvoll sein, knifflige Fragen dürfen durchaus gestellt werden, will man doch sein Gegenüber zur Höchstleistung auflaufen und das gesamte Potential ersichtlich werden lassen. Die Kontaktaufnahme darf nicht gekünstelt wirken und es ist darauf zu achten, sich selbst Spielraum für Improvisation zu lassen, können doch die Antworten des Sales Associate sehr unterschiedlich ausfallen. Das notwendige Fingerspitzengefühl sowie ein generell respektvoller Umgang mit dem Gegenüber sind dabei Voraussetzungen.
Ist man vom potentiellen „Fit“ überzeugt, so gilt es, sich nicht plump zu outen und die „Zielperson“ damit in eine unangenehme Situation zu bringen, sondern eine vertrauliche Kontaktmöglichkeit für einen späteren Zeitpunkt herzustellen. Es gilt zudem, nicht mit Biegen und Brechen jemanden abzuwerben, sondern vielmehr Informationen anzubieten. Headhunter müssen sich Ihrer Verantwortung bewusst sein, Mitarbeiter, die mit ihrem gegenwärtigem Aufgabenbereich, ihrem gegenwärtigem Arbeitgeber und ihren Möglichkeiten zufrieden sind, nicht zu einem Wechsel zu überreden. Vielmehr ist es die Aufgabe, jene Persönlichkeiten zu identifizieren, die in ihrem Job überdurchschnittlich sind und sich gerne weiterentwickeln möchten. Dies kann der Wunsch nach mehr Verantwortung, oder die Suche nach veränderten, besser passenden Rahmenbedingungen sein. Diese Chance zu ermöglichen, ist letztlich nicht nur langfristig sinnvoll, sondern schließlich auch ein schönes Erfolgserlebnis.
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