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AutorenbildJulian Maly

Praxisbericht: Bewerbungsanzahl

Das Verhältnis zwischen quantitativem Bewerbungseingang und Besetzungserfolg

 

Ich möchte in diesem Blogpost einige Insights aus den Erfahrungen meiner Recruitingprojekte der letzten 17 Jahre teilen. Die Basis bildet ein zwar nicht repräsentatives, aber mit ca. 1.000 Stellenbesetzungen doch recht umfangreiches Sample über Funktionen, Branchen und Hierarchien hinweg. Voraussetzung, um datenbasierte Erkenntnisse in die eigene Recruitingstrategie einfließen zu lassen ist aber, überhaupt eine solche strategische Herangehensweise zu haben.


Ich kann nicht oft genug betonen, dass ein smartes Design von Such- und Auswahlprozessen auf Basis der People Strategy des Unternehmens und Kenntnis der Kandidatenmärkte ein wesentlicher Erfolgsfaktor in der Personalgewinnung ist. Je klarer bei Start eines Recruiting Projektes die Ziele und Parameter sind, desto rascher stellt sich der Erfolg bei der Suche und Auswahl ein. Energie, die in entsprechende Überlegungen fließt, ist also gut investiert.

 

Quantität als Messgröße?

Wie viele Bewerbungen benötigt es, um die richtige Person für eine offene Position zu finden? Diese Frage steht insb. im Hinblick auf Entscheidungsfähigkeit und Timing sehr oft im Raum. Anders formuliert: Ab welcher Anzahl an Kandidaten sind Führungskräfte bzw. Recruiter rational und emotional bereit, eine Entscheidung zu treffen? Und: Korreliert die Quantität an Bewerbungen mit dem Besetzungserfolg?


In der Praxis zeigt sich, dass die Antwort auf diese Frage komplex ist und von verschiedenen Faktoren abhängt. Zu beachten sind hier insb. die Parameter in Hinblick auf:


  • Spezifität der Stelle

  • Wichtigkeit der Position

  • Dringlichkeit der Besetzung


  • Kompromissbereitschaft bei Anforderungen

  • Kompetitivität der Zielgruppe

  • Attraktivität der Rahmenbedingungen

  • Vorgeschichte der Position

  • Employer Brand

  • Entscheidergremium

  • Marktkenntnisse


Eine grobe Orientierungshilfe bei der Wahl der richtigen Search Strategy habe ich in dieser Grafik zusammengefasst (keep it short and simple):

Wann macht es Sinn, auf eine möglichst hohe Quantität zu setzen?

  • Wenig spezifisches Anforderungsprofil

  • Fokus auf Personal Skills

  • Besetzung nicht dringend

  • Geringe Attraktivität der Rahmenbedingungen

  • Unbekannte Employer Brand

  • Geringe Kenntnis des Bewerbungsmarktes

  • Inhomogenes Entscheidergremium


Ziele: Einen möglichst guten Überblick über den Markt und die Alternativen erhalten, viele Gespräche führen, den Fokus auf die passende Persönlichkeit legen, Absagen von Kandidaten in Kauf nehmen und ein inkohärentes Gremium zu einer Entscheidung führen.


Risken: Ineffiziente, lange Entscheidungsprozesse mit vielen Diskussionen; fehlende Compliance von Top-Kandidaten aufgrund wenig spezifischer Ausschreibung und langer Prozessdauer, hohe Aufwände im Bewerbermanagement und hohe Quote an frustrierten Bewerbungen aufgrund vieler Absagen.

 

Wann macht es Sinn, die Quantität außer Acht zu lassen?

  • Ausdefiniertes Anforderungsprofil

  • Dringende Besetzung

  • Fokus auf Hard Skills und spezifische Erfahrungen

  • Passgenaue Jobdescription

  • Attraktive Rahmenbedingungen und starke Employer Brand

  • Exakte Kenntnis des Bewerbungsmarktes

  • Entscheidungsbereites Gremium


Ziele: Unter Dringlichkeit einen möglichst großen Fit in den harten Kriterien zu erzielen, einen schlanken Prozess aufzusetzen und bei passender Gelegenheit und wenig bis keinen Alternativoptionen kurzfristig eine Entscheidung zu treffen.


Risken: Grenzfälle auszuschließen, die persönlich passen würden; bei Absage des Wunschkandidaten keine Alternativen zu haben; bei „Aufweichung“ der harten Kriterien eine neue Runde drehen zu müssen.

 


Branchenspezifika

Der Zusammenhang zwischen der Anzahl der Bewerbungen und dem Besetzungserfolg variiert stark nach Branche und Position. Während in hochspezialisierten Branchen wie der IT oder dem Ingenieurwesen oft nur eine geringe Anzahl hochqualifizierter Bewerbungen eingeht, sind in anderen Bereichen wie Marketing, HR, Vertrieb oder administrativen Rollen meist zahlreiche Bewerbungen zu erwarten. Hier gilt es, die spezifischen Herausforderungen der jeweiligen Branche zu berücksichtigen.

 

Die Bedeutung der Candidate Experience

Ein oft unterschätzter Faktor im Rekrutierungsprozess ist die Candidate Experience. Eine positive Erfahrung im Bewerbungsprozess kann dazu beitragen, hochqualifizierte Kandidaten anzuziehen und an das Unternehmen zu binden. Ein transparentes, effizientes und wertschätzendes Verfahren signalisiert Professionalität und stärkt die Arbeitgebermarke. Unternehmen, die diesen Aspekt vernachlässigen, riskieren nicht nur den Verlust potenzieller Talente, sondern auch einen Imageschaden.

 

Kennzahlen und Analyse

Um das Verhältnis zwischen Bewerbungsanzahl und Besetzungserfolg zu bewerten, sollten Unternehmen relevante Kennzahlen erheben und analysieren. Dazu zählen:


  • Number of Applicants: Wie viele Bewerbungen gehen pro ausgeschriebener Stelle ein?

  • Invites per Applications: Wie viele Bewerber werden zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen?

  • Hires per Applications: Wie viele Einstellungen erfolgen pro 100 eingehenden Bewerbungen?

  • Time-to-hire: Wie viel Zeit vergeht von der Ausschreibung bis zur Besetzung?

  • Cost-per-hire: Wie viel Aufwand entsteht durchschnittlich pro Besetzung?

  • Satisfaction: Wie zufrieden sind Fachabteilungen und Bewerber mit dem Prozessdesign?

  • Fail-Quota: Wie viele Fehlbesetzungen sind auf den Such- und Auswahlprozess zurückzuführen?


Durch die systematische Auswertung dieser Daten über einen längeren Zeitraum hinweg können Engpässe identifiziert und der Prozess optimiert werden.

 

Welche Strategie passt für mein Unternehmen?

Wie man aus den Szenarien erkennen kann, kommt es nicht nur auf die bereits eingangs genannten Parameter an, sondern insb. auch auf das Design des Suchprozesses, Zugang zu den richtigen Kanälen, das Know-how der Recruiter und die administrativen Ressourcen.


Eine starke Employer Brand und präzise formulierte Stellenanzeigen können dazu beitragen, die Anzahl irrelevanter Bewerbungen zu reduzieren und gleichzeitig qualifizierte Kandidaten anzusprechen. Dabei spielen auch die Zielgruppensegmentierung, ein realistischer Approach an die eigene Wettbewerbsfähigkeit sowie ausgeprägte Marktkenntnisse eine Rolle.


Headhunting kann hier eine wertvolle Unterstützung bieten. Personalberater haben regelmäßig einen sehr guten Marktüberblick, können die Kompetitivität des Unternehmens anhand von Referenzwerten einordnen und bringen viel Erfahrung beim Design von Such- und Entscheidungsprozessen mit. Insbesondere, wenn Unsicherheit besteht, ob das verfügbare Spektrum potenzieller Kandidaten mit Inbound-Bewerbungen ausgeschöpft wird, bietet ein Headhunter Einordnung und erweiterte Zugänge zu Talenten.



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