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AutorenbildJulian Maly

How much is the fish?

Eines der größten Probleme im Recruiting scheint derzeit neben der Tatsache, dass es für viele Vakanzen nahezu keine oder gar keine Bewerber gibt, vor allem das immense Gefälle zwischen den Gehaltsvorstellungen potentieller neuer Mitarbeiter und dem Compensation-Korsett der bestehenden Workforce zu sein. Nicht nur HR, Unternehmensleitung und Controlling fragen sich, wie der Spagat zwischen Attraktivität als Employer und einer halbwegs vernünftigen Budgetierung der Personalkosten im Unternehmen zu machen ist. Wir stehen vor dem Dilemma, dass sowohl die Wechselgeschwindigkeit als auch die möglichen Gehaltssteigerungen pro Wechsel neue Dimensionen erreichen.



Wenn wir davon ausgehen, dass Transparenz bzgl. Gehaltslevels in Unternehmen nicht nur unvermeidbar, sondern gesellschaftspolitisch immer mehr gewünscht ist, bleiben im Prinzip nur wenige Möglichkeiten um mit dem Dilemma umzugehen:


Erstens proaktive Kommunikation. Sowohl nach innen als auch nach außen sollten Gehaltsbandbreiten realistisch und offen kommuniziert werden. Im Recruiting beinahe aller Schlüsselfunktionen zeigt sich, dass eine realistische Gehaltsangabe mittlerweile ein Hygienefaktor ist, um geeignete Bewerbungen zu erhalten bzw. potentielle Kandidaten zu interessieren. Gleichzeitig ist es wichtig, sich als Unternehmen nicht darauf zu fokussieren, sondern den Mehrwert des Produktportfolios, etwaige mittelfristige Karriereoptionen oder die gesellschaftliche Relevanz der Geschäftsfelder in den Vordergrund zu rücken. Je stärker man sich differenziert und in puncto Werte bzw. Interessen eine bestimmte Zielgruppe anspricht, die auch zum Unternehmen passt, desto geringer wiegt der Faktor Gehalt. Der bestehenden Workforce zu kommunizieren, dass man Unterschiede in der Gehaltsstruktur versucht so gering wie möglich zu halten, ist Aufgabe der Unternehmensführung und sollte initiativ thematisiert werden. Totschweigen kann man das Thema ohnehin nicht mehr.


Zweitens Konsequenz. Wenn Kandidaten versuchen, über die Maßen zu pokern und die Gunst der Stunde eines Wechsel nutzen wollen, um das eigene Gehaltsniveau um mehr als 10% (lateral) bzw. 20% (mit Karrierestep) zu verbessern, ist trotz oft großer Not Vorsicht geboten. Bleiben Sie im Recruiting besser dabei, Menschen mit Potenzial für sich zu gewinnen, die bereit sind, einen Kompromiss einzugehen und aus gutem Grund wechseln.


Einen Spezialfall stellen derzeit Berufseinsteiger dar, deren Gehaltsvorstellungen sehr oft weit über dem liegen, was langjährig Usus war. Dies liegt insb. auch an einem neuen Selbstbewusstsein (gerechtfertigt oder nicht), die Lebensarbeitszeit nicht linear gestalten zu wollen, sondern Sidesteps und Time-Outs einzubauen - was natürlich nur möglich ist, wenn die Gehälter der ersten Berufsjahre dies auch ermöglichen. Man kann das unerfreulich finden, es ist aber Realität und viele Unternehmen wollen genau diesen Anspruch an Gestaltungskraft bei Kandidaten auch.


Was ist die langfristige Perspektive? Auch beim Gehaltsthema zeigt sich, dass vieles im Umbruch ist. Alles bewegt sich weg von Gehaltsschemata, die auf Organigrammen, Ebenen, Rollen und Berufsjahren basieren. Hin zu flexiblen Gehaltsbestandteilen. Warum sollte jemand, der effektiver arbeitet nicht monetär am eigenen Erfolg beteiligt sein. Es gilt, individueller zu werden - nicht jeder muss dasselbe Ergebnis liefern, aber unterschiedliche Leistungen werden unterschiedlich honoriert. Ein und dieselbe Rolle kann sowohl mit einem 100% Fixum bezahlt werden als auch mit einem variablen Modell, mit dem man vielleicht ein Niveau bis zum Doppelten erreichen kann. Dem Argument, dass Konstanz ebenfalls ein wesentlicher Wert ist, stimme ich vollinhaltlich zu - dies ist aber kein Widerspruch, denn wenn Konstanz mit Ineffektivität einhergeht, verliert sie die Bedeutung. Insofern ist es sogar wichtig, auch bei langjährigen Mitarbeitern andere Maßstäbe als die pure Verweildauer im Unternehmen anzulegen.


Das letzte Wort ist jedenfalls noch nicht gesprochen, ich persönlich bin aber der festen Überzeugung, dass es - unabhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung und etwaiger Rebounds am Arbeitsmarkt - für jene Zielgruppen, die besonders schwierig zu bekommen sind, langfristig eine neue Herangehensweise an die Trias Sinnstiftung - Leistungsbereitschaft - Honorierung braucht.

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