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Arbeitsmoral - wo ist der Common Ground?

Autorenbild: Julian MalyJulian Maly

Ein schwieriges Thema: Wieviel mentalen und zeitlichen Einsatz können Unternehmen von Mitarbeitern erwarten? Wo liegt die Grenze zwischen Work-Life-Balance und einer „ruhigen Kugel“? Und wie gleichmäßig können Mitarbeiter wirklich Leistung erbringen?


Die Antwort auf diese Fragen liegt in der Praxis im Auge des Betrachters und der Standpunkt bestimmt den Blickwinkel. Mir sind beide Positionen nicht fremd, die Argumente gehen jedoch oft ins Leere und man diskutiert aneinander vorbei. Ich beobachte in den letzten Jahren zunehmend Justament-Positionen von beiden Seiten, befeuert durch Digitalisierung, Remote Work und flexible Zeitmodelle. Das ist schade, weil die allgemeine Arbeitskultur genauso darunter leidet wie die Sicherung konkreter Ergebnisse im Tagesgeschäft.

 

Worauf können wir uns (hoffentlich) einigen?

  • Im deutschsprachigen Raum sind Arbeitnehmerrechte so stark abgesichert wie sonst kaum, global gesehen. Dazu zählen neben dem gesetzlichen Rahmen auch eine ausgeprägte kollektive Vertragsgestaltung mit starker Betonung auf formale Grenzen, eine relativ starke Arbeitnehmervertretung und auch eine arbeitnehmerfreundliche Rechtsprechung.


  • Andererseits sitzen Unternehmen oft trotzdem am längeren Ast, monetär sowie in puncto Informationsstand, Entscheidungskompetenzen und informellen Druckmitteln.


  • Wirtschaftliche Rahmenbedingungen beeinflussen die Erwartungshaltungen und die strikte Umsetzung von Vereinbarungen wesentlich. Das betrifft sowohl Unterschiede zwischen Branchensegmenten (wachsende vs. stagnierende vs. rückläufige Märkte) als auch die Gesamtwirtschaft im Hinblick auf die konjunkturelle Großwetterlage und globale Transformationsprozesse.


  • Es gibt zwei Seiten der Medaille, keine davon macht alles richtig und ein gemeinsames Verständnis von Arbeitsmoral führt zu einer für beide Seiten gewinnbringenden Situation.

 

Individualität

In der Beziehung zwischen Unternehmen und Mitarbeitern „menschelt“ es, und das ist gut so. Organisationen, die Wirtschaftsstruktur allgemein und die Gesellschaft als Ganzes profitieren von Unterschieden und Individualität. Menschen haben unterschiedliche Lebenskonzepte und Ziele. Die Kultur und das Werte-Set in Unternehmen variieren anhand unzähliger Parameter (Branche, Größe, Ziele, Geschichte, finanzielle Kennzahlen, Eigentumsstrukturen – you name it). In der Beurteilung von Arbeitsmoral ist es daher nur konsequent, diese Rahmenbedingungen auch individuell zu berücksichtigen.

 

Gemeinsamkeiten

Aus meiner Sicht ist es dennoch sinnvoll, das Thema Arbeitsmoral in drei Begriffspaare zu gliedern, die sich im optimalen Fall jeweils ergänzen und die in ihrer Grundausprägung die Basis für alle Arbeitsverhältnisse bilden (sollten).

 

Verantwortlichkeit vs. Vertrauen

Zu Recht erwarten Unternehmen von Mitarbeitern die Übernahme von Verantwortung für die jeweiligen Aufgabenbereiche nach bestem Wissen und Gewissen im Sinne des Unternehmens. Dazu zählen neben einer grundlegenden Sorgfalt und proaktiver Kommunikation genauso die Bereitschaft zu Wissenstransfer, Vertretung, Kooperation (und Identifikation nach außen).


Zu Recht erwarten Mitarbeiter von Unternehmen Grundvertrauen, ein solides Onboarding, Gestaltungsmöglichkeiten (nach Maßgabe der Rolle), eine positive Führungs- und konstruktive Feedbackkultur und eine proaktive Kommunikation bei zu lösenden Themen.

 

Verständnis vs. Verhältnismäßigkeit

Zu Recht erwarten Mitarbeiter von Unternehmen Verständnis für eine ausgeglichene Lebensführung, dass sie nicht „verbrannt“ werden, Flexibilität im persönlichen Time-Management bei nicht zeitkritischen Aufgabenpaketen und eine generelle Berücksichtigung der privaten Lebenssituation (selbstverständlich in Relation zur Remuneration).


Zu Recht erwarten Unternehmen von Mitarbeitern erhöhtes Engagement in Zeiten hoher Auslastung (nach Maßgabe der Möglichkeiten), die notwendige Dokumentation des Zeiteinsatzes und eine „as soon as possible“ Mentalität bei der Erledigung der Aufgaben.

 

Zielorientierung vs. Ausgleich

Zu Recht erwarten Unternehmen von Mitarbeitern, dass sie sich „nach der Decke strecken“, insb. den Output ihrer Tätigkeiten im Blick haben, vereinbarte Ziele mit ganzer Kraft verfolgen, Ideen einbringen und sich selbst entsprechend optimal strukturieren.


Zu Recht erwarten Mitarbeiter von Unternehmen, dass bei sehr guter Leistung oder überdurchschnittlichem Engagement ein Ausgleich erfolgt, sei es monetär, zeitlich oder karrieretechnisch.

Wenn sich beide Seiten an diese minimalen – aber nicht trivialen – Spielregeln halten, ist das größte Wegstück zu einer gelungenen Arbeitsbeziehung und zu einem gemeinsamen Verständnis von Arbeitsmoral bereits gegangen. Dass Verletzungen dieses common ground wiederum Konsequenzen auf der jeweils anderen Seite auslösen, sollte nicht verwundern.


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