Algorithmen sind in der Personalsuche zweifellos seit vielen Jahren und in immer höherem Ausmaß eine Bereicherung. Sie durchforsten in Sekundenbruchteilen Millionen von Profilen, greifen abstrahiert auf Erfahrungswerte zahlloser Kollegen zu, automatisieren Standardprozesse und leisten somit einen Großteil der Basisarbeit. Dabei schaffen Sie Zeit und Raum für die menschliche Interaktion, die in einer Zeit steigenden Bedürfnisses nach persönlicher Ansprache letztlich nach wie vor den Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg von Recruiting-Projekten ausmacht.
Die Stärken des Algorithmus
Ident: Die Identifikation von Talenten ist einer der wichtigsten Cases, bei dem Algorithmen ihre Stärken voll ausspielen können. Plattformen wie LinkedIn, aber auch übergreifende Tools ermöglichen es, eine riesige Datenbasis zu durchforsten. Dabei helfen Filterkriterien wie Qualifikationen, Berufserfahrung oder Branchenkenntnisse, um passende Kandidaten schnell zu identifizieren. Gleichzeitig analysieren Algorithmen Muster, wie ähnliche Positionen in der Vergangenheit erfolgreich besetzt wurden, und schlagen geeignete Profile vor.
Automatisierung: Nicht neu, aber immer besser ist auch die Entlastung durch die Automatisierung von Prozessen im Kandidatenmanagement. Zum Vergleich, woher wir kommen: Bei meinem Einstieg in die Personalberatung 2007 war es noch state of the art, Bewerbungen "paper pencil" zu bearbeiten. Inklusive Ausdrucken, falls sie nicht ohnehin postalisch ankamen. Heute unvorstellbar. Auch, welchen zeitlichen Aufwand wir uns mittlerweile dadurch ersparen.
Basis-Screening: In ausgewählten, seltenen Fällen mit einem Überschuss an aktiven Bewerbungen macht mittlerweile auch das automatisierte Kandidatenscreening Sinn. Wichtig ist hierbei zu verstehen, welche Muster das jeweilige System verwendet und sich stets bewusst zu sein, wo die Grenzen zwischen retrospektiver Analyse und Potenzialevaluierung verlaufen. Die Abwägung zwischen dem Wert von verbrieften Erfahrungen und Dimensionen wie z.B. Motivation oder Lebensphase kann keine KI übernehmen.
Die menschliche Komponente
Doch bei all diesen Vorteilen gibt es eine Sache, die wir in unserer täglichen Arbeit nicht ignorieren können: Algorithmen können Menschen niemals in ihrer gesamten Komplexität erfassen. Sie ignorieren konsequent Soft Skills, persönliche Werte oder das Potenzial, das ein Mensch mitbringt. Und genau das sind die Aspekte, die in unserem "People-Business" am Ende entscheidend sind.
Qualität statt Quantität: Bereits bei der Entscheidung, mit welchen potentiellen Kandidaten eine Kontaktaufnahme Sinn macht, versagen automatisierte Prozesse regelmäßig. Anstatt 50 Personen inflationär mit einem Jobangebot zu spamen, ist es meistens erfolgversprechender, 10 Personen individuell zu adressieren. Das hilft nicht nur, den nachgelagerten Prozessaufwand niedrig zu halten, sondern beugt auf der Kandidatenseite Enttäuschungen vor. Wer möchte schon gerne Energie in einen Prozess investieren, bei dem die Erfolgswahrscheinlichkeit für den einzelnen gering ist?
Persönliche Ansprache: Wir bemerken in unserer täglichen Arbeit, wie überdrüssig die meisten Menschen der Automatisierung sind. Das gilt für viele Lebensbereiche, aber besonders für einen so höchstpersönlichen wie die eigene Berufswelt und Karriereentwicklung. Eine neue Opportunity in einem Gespräch auf den Punkt zu bringen ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Und dabei eine ansprechende Präsentation des Employers und eine authentische Beratung potentieller Kandidaten über etwaige Fragezeichen und Fallstricke zu vereinen, erzeugt langfristiges Vertrauen und das notwendige Renommee. Nicht zu vergessen: Die Technologieaffinität ist bei weitem nicht in allen Bevölkerungsgruppen und Berufsfeldern gleich ausgeprägt. Somit wird es auch zur Akzeptanzfrage - und Talente auf dem Weg zu verlieren, nur weil sie mit einem zu stark automatisierten Prozess nicht d'accord gehen, kann sich eigentlich kein Unternehmen leisten.
Evaluierung: Die Auswahl der passenden Kandidaten geht über die Algorithmen hinaus und erfordert eine intensive Auseinandersetzung mit den individuellen Stärken und Schwächen. Algorithmen können lediglich vorschlagen, welche Profile auf Basis verfügbarer und strukturierter Daten übereinstimmen. Die finale Auswahl verlangt jedoch Fingerspitzengefühl und Empathie. Hier spielen Soft Skills, Motivation und kulturelle Passung eine entscheidende Rolle. In persönlichen Gesprächen finden wir heraus, ob ein Kandidat wirklich in das Unternehmen und das Team passt. Es geht darum, die ungeschriebenen Erwartungen beider Seiten zu verstehen und eine Verbindung herzustellen, die über die reine Erfüllung von Anforderungen hinausgeht. Empathie hilft uns dabei, nicht nur die Worte eines Kandidaten, sondern auch seine Zwischentöne zu interpretieren. Gleichzeitig greifen wir auf unsere langjährige Erfahrung zurück, um Muster zu erkennen und Situationen richtig einzuschätzen. Dieses Zusammenspiel von Wissen und Intuition ist unverzichtbar.
Der Algorithmus als Werkzeug des Menschen
Wir sind überzeugt, dass Empathie ein unverzichtbarer Bestandteil in der Personalsuche bleibt. Es geht darum, die Ängste und Hoffnungen von Kandidaten zu verstehen und gleichzeitig die Bedürfnisse des Unternehmens sensibel zu erfassen. Besonders in einer Zeit, in der viele Prozesse automatisiert werden, schaffen echte zwischenmenschliche Verbindungen den Unterschied. Andererseits wäre es töricht, auf die Vorteile von Algorithmen zu verzichten. Die Zukunft der Personalsuche liegt also klarerweise in der Kombination von Algorithmen und Empathie. Algorithmen können uns helfen, schneller und effizienter die besten Talente zu finden. Sie sind ein Werkzeug, kein Ersatz. Der wahre Mehrwert entsteht, wenn die Technik unsere menschliche Expertise unterstützt, anstatt sie zu ersetzen. Technologie und Menschlichkeit müssen keine Gegensätze sein – Erfolg entsteht durch einen verantwortungsvollen, bewussten und manchmal auch mutigen Einsatz neuer Tools und kompromisslosem Verzicht darauf, wo zu Recht Menschlichkeit erwartet wird.
Comments